Dem Kindergarten kommt bezüglich Sexualerziehung und sexueller Bildung eine familienergänzende Rolle zu. Wenn von Sexualität oder „Sex“ die Rede ist, denken viele zunächst an Geschlechtsverkehr. Dabei umfasst Sexualität weit mehr als die Sexualität Erwachsener. Menschen sind von klein auf sexuelle Wesen mit altersspezifischen Bedürfnissen und individuellen Ausdrucksformen. Kindliche Sexualität begegnet uns in vielzähligen Aspekten im Kindergarten Alltag: z.B. in Kinderfreundschaften, in frühkindlicher Selbstbefriedigung, in gegenseitigen Körpererkundungen, in sexuellen Rollenspielen, in Körperscham, in kindlichem Zärtlichkeitsbedürfnis und vielem mehr.

Aus dem Grund beschäftigen wir uns als Team mit diesem Thema in Fortbildungen und im Team (Teamsitzungen, Beratung von Fachkräften und an Konzepttagen). Die folgende Konzeption beschreibt den Handlungsrahmen des pädagogischen Teams und schafft Transparenz für den Träger und die Eltern.

1. Definition Sexualität

Aus der Perspektive der Psychologie kann die Sexualität (Lat.: Geschlechtlichkeit) in vielerlei Hinsicht betrachtet werden: Sexualität gilt als ein primäres Motiv menschlichen Verhalten, sie hat eine instrumentelle Funktion, dient unter anderem der Reproduktion, dem Aufbau und der Aufrechterhaltung von Beziehungen, der Selbstbestätigung und steht in Interaktion mit
emotionalen Zuständen. (
http://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/sexualitaet/14152. Stand 11.11.2019)

Definition Sexualpädagogik
Die Sexualpädagogik ist ein Teilbereich der Erziehungswissenschaft und der Sexualwissenschaft, der die Theorien über die gezielte Beeinflussung sexueller Einstellungen und Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen umfasst. (Sielert 2005)

Sexualerziehung, sexuelle Bildung und Schutz vor sexualisierter Gewalt sind nicht nur grundlegende Bedürfnisse sondern gehören zu den Rechten jedes Kindes, sowohl nach der UN-Kinderrechtskonvention §34 als auch gemäß nationaler Gesetze.“ (Kindergarten heute 8/2015 S. 14)

2. Einführung des Begriffes Sexualität

Sexualerziehung fördert die Kinder auf ihrem Weg zu einem selbstbewussten Umgang mit ihrer Sexualität. Sie unterstützt ebenso die Prävention vor sexualisierter Gewalt. Kinder, die eine Sprache haben, ihre Interessen und Grenzen vertreten können, werden sich eher abgrenzen können und sich eher trauen darüber zu sprechen.

Die Sexualerziehung unterstützt die kindliche Persönlichkeitsbildung sowie die soziale Entwicklung. Die Kinder bringen ihre eigenen Sexualität und ihre bisherigen Erfahrungen mit in die Einrichtung. Sie erleben ihre Sexualität mit Sinnlichkeit und Lust über ihren Körper, über Nähe, Kuscheln und Berührungen. Sie verbinden dieses körperliche Erleben mit vielen positiven Gefühlen. Kindliche Sexualität ist somit in jedem Fall im pädagogischen Alltag präsent.

Mit einem geschlechterbewussten und sexualfreundlichen pädagogischem Konzept begleiten und unterstützen wir eine persönlichkeitsfördernde und altersgemäße Sexualentwicklung des Kindes. Wir setzen uns reflektiert mit der Entwicklung der Geschlechterrollen der Kinder auseinander. Das bedeutet für uns einen flexiblen Umgang mit Rollenbildern sowie das Vermeiden von Rollenfixierungen.

Eine sozialpädagogische Haltung ist notwendig, denn auch durch „Nichtreagieren“ üben wir Einfluss aus!

3. Ziele und praktische Umsetzung der Sexualpädagogik als Bildungsaufgabe

  • Kinder in ihrer psychosozialen Enzwicklung zu begleiten
  • Wahrzunehmen, was das Kind mag, nicht mag
  • Respektvoller Umgang mit kindlichen Bedürfnissen nach sinnlichen Erfahrungen
  • Beachtung und Akzeptanz von Verweigerungen (z. B. wenn ein Kind nicht auf den Schoß kommen möchte) und das eigene Bedürfnis (nach Nähe) zurückstellen
  • Kindern das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit zu vermitteln (JA und NEIN zu respektieren) und ihre persönliche Integrität zu achten
  • Auf Fragen und Wünsche eingehen (nicht ignorieren, eigene Unsicherheiten zugeben)

Konkret bedeutet das für uns im Zwergennest:

  • Begriffe für Geschlechtsteile: Das aufgreifen, was in der Familie verwendet wird/Hauptsache es wird benannt!
  • Kind bitten in bestimmten Situationen Berührungen zu unterlassen (ihm aber vorschlagen dies ungestört zu Hause im Bett/Kinderzimmer zu machen) -> so erfährt es, das Selbststimulation in einem bestimmten Setting akzeptiert/ bzw. nicht akzeptiert ist.
  • Kinder nicht ausschimpfen-> das löst starkes Schamgefühl und Unsicherheit im Bezug zum eigenen Körper aus
  • Eigenes Schamgefühl wahrnehmen und akzeptieren, es dem Kind verständlich und dennoch wertschätzend zu vermitteln (das Kind lernt mit der Zeit, dass verschiedene Personen unterschiedliche persönliche Grenzen haben)
  • Bei „Doktorspielen“ eingreifen, sofern ein ältere Kind ein jüngeres bedrängt/ für seine Bedürfnisse ausnutzt
  • Kinder Regeln vermitteln: Insbesondere das „Nein“ des anderen zu achten (heißt auch: selbst das „Nein“ des Kindes zu achten/ein Gleichgewicht herzustellen zwischen Freiraum und Grenzen); das ist eine wichtige Voraussetzung zur Vorbeugung von sexuellem Missbrauch!
  • Offener Umgang mit Fragen des Kindes, über sexuelle Themen sprechen, um Vorstellungen und Einstellungen des Kindes zu „korrigieren“ (-> besonders im Sinne der Mediennutzung)
  • Kulturelle Unterschiede achten und hier auch Unsicherheiten ansprechen

Das Wickeln, Pflegen und Umziehen der Kinder übernehmen wir mit dem Wissen um und einer hohen Verantwortlichkeit für die Körperlichkeit der Kinder sowie den Beziehungsaspekt dieser pädagogischen Aufgabe. Wir agieren dabei fürsorglich, die Kinder beteiligend und schützend für ihre Intimsphäre, d.h., die Kinder entscheiden mit, wer sie von den ihnen vertrauten Mitarbeiter*innen wickelt.